„Die Deutsche Post bringt das Briefgeheimnis ins Internet“, das verspricht die Deutsche Post AG mit ihrem neuen E-Postbrief. Kompliziert, teuer, nicht besonders sicher, so ein erstes knallhartes Urteil der Stiftung Warentest. Doch es kommt noch schlimmer. Mit den beiden Rechtsanwälten Udo Vetter und Thomas Stadler habe ich mir mal das Kleingedruckte vorgenommen. Soviel vorweg: bei manchen Passagen geht richtig die Post ab.

Vorstand Appel – (Foto: Post)

Vorwort: Mit der Arroganz eines Monopolisten

Ich kann gar nicht zum Ausdruck bringen, wie groß meine Verachtung gegenüber der Pressestelle der Deutschen Post ist. Schon in meiner Rolle als Reporter des öffentlich-rechtlichen Fernsehens habe ich über die Jahre gelernt: Interviews vor der Kamera gibt die Deutsche Post AG grundsätzlich nur, wenn Anlass und Fragen nicht allzu negativ sind. Kritik, ob berechtigt oder nicht, wird in der Regel ausgesessen.

Meine jüngste Interview-Anfrage als Blogger wurde natürlich erst gar nicht ernst genommen: „Social Media Anfragen werden durch unseren Kundenservice beantwortet, die leider nicht auf Interviews eingerichtet sind.“, so Konzernsprecher Uwe Bensien. Mein Fragenkatalog, den ich der Pressestelle vor einer Woche per E-Mail zugeschickt habe, blieb bis heute unbeantwortet. Rückruf Fehlanzeige.

Die Arroganz eines Monopolisten schreit hier aus jeder Ritze. Wo kämen wir auch hin, wenn jetzt schon bloggende Journalisten Interviews wollen, – da könnt‘ ja jeder kommen!

Ihr merkt, dies wird ein anstrengender Blogeintrag und ich gebe mir die größte Mühe, meinen Zorn im Zaum zu halten und mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Das Briefgeheimnis im Internet?

Anlass meiner Anfrage bei der Deutschen Post war der Start des sog. E-Postbriefes. Die Deutsche Post bringe „das Briefgeheimnis ins Internet“, so der Claim des Gelben Riesen (siehe TV-Werbespot). Große Worte für eine prinzipiell gute Idee: Behördenvorgänge online erledigen, mehr Rechtssicherheit bei Vertragsabwicklungen, in der Tat, das wäre ein Gewinn.

Kompliziert und teuer

Die vielen unnötigen Hürden, die man als Kunde bei der Registrierung überwinden muss, habe ich in einem früheren Blogeintrag beschrieben. Auch die Stiftung Warentest kommt zu dem Schluss: die Anmeldeprozedur sei umständlich, der Service teuer und bei weitem nicht so sicher, wie es die Post in ihrer Werbung suggeriert.

Geschenkt! Doch als ich beginne, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, das Kleingedruckte zu lesen, da zieht’s mir glatt die Schuhe aus: Verklausulierte Pflichten, die dem E-Post-Kunden auferlegt werden, die Weitergabe von Daten an Dritte, da werden Kopien aller Briefe angefertigt, die auch dann noch vorliegen, wenn man diese schon längst gelöscht haben will!

Ich bin kein Jurist, deshalb habe ich die beiden Anwälte Udo Vetter von lawblog.de und Thomas Stadler von internet-law.de gebeten, die AGB mit mir Punkt für Punkt durchzugehen. Die wichtigsten Passagen könnt Ihr hier nachlesen – oder aber das Original-Interview anhören (Dauer: 9:45 Min), das ich mit Udo Vetter geführt habe.

Versäumniszuschläge im Urlaub

Unter I.6.3 heißt es:

Der Nutzer erkennt sein Nutzerkonto als seinen Machtbereich an, zu dem er Zugang hat und das für die Kommunikation mit anderen Nutzern oder Kommunikationspartnern bestimmt ist. Der Nutzer wird daher aufgefordert, mindestens einmal werktäglich den Eingang in seinem Nutzerkonto zu kontrollieren. Von einer regelmäßigen Kenntnisnahme eines. E-POSTBRIEFS mit elektronischer Zustellung durch den Privatkunden ist daher spätestens am Werktag nach Eingang im Nutzerkonto auszugehen. Beim Geschäftskunden ist von einer regelmäßigen Kenntnisnahme bei Eingang innerhalb der üblichen Geschäftszeiten am gleichen Werktag auszugehen, ansonsten mit Beginn der Geschäftszeiten am darauf folgenden Werktag.

Der Kunde muss täglich einmal seinen E-Mail-Eingang überprüfen – auch im Urlaub. „Ein weitgehender Eingriff in den Lebensbereich der Kunden“, so Udo Vetter. Eine selbst definierte Regelung der Deutschen Post AG, die beim normalen Postbrief nicht so eng gefasst werde. Vetter vermutet, hier möchte die Post ihren Service vor allem für Großkunden aufwerten, nach dem Motto: „Verschick doch Deine Kündigungsfristen über uns – wenn ein Kunde im Urlaub seine Mails nicht checkt (und das werden die Wenigsten), dann hat er halt Pech gehabt!“

Wer hat noch nicht, wer will noch mal?

Unter IV.4.2 heißt es:

Falls der Veröffentlichung der Daten im Adressverzeichnis zugestimmt wurde, können diese Angaben von der Deutschen Post AG an andere registrierte Geschäftskunden / Versender auf Anfrage auch beauskunftet werden. Dabei nennt der Geschäftskunde Name und Postanschrift des Empfängers. Anhand dieser Angaben ermittelt die Deutsche Post AG die E-POSTBRIEF Adresse des Empfängers und teilt sie dem Geschäftskunden mit, damit dieser seine Nachricht als E-POSTBRIEF versenden kann. Somit wird dem Geschäftskunden die arbeitsaufwändige Suche jedes einzelnen Empfängers im öffentlichen Adressverzeichnis erspart.

Auf Deutsch: die Post darf mit den Adressen und Daten ihrer E-Postkunden munter Handel betreiben und diese, beispielsweise an Adress-Broker weiterverkaufen. Die mögliche Folge: SPAM und Reklame-Kataloge, die den Haus-Briefkasten, aber auch die E-Mailbox verstopfen. Fies: der Kunde hat sich verpflichtet, jeden Tag seinen E-Maileingang zu überprüfen! Udo Vetter sieht in dieser Passage eine Konterkarierung der Ursprungs-Idee, nämlich die Schaffung eines Postfachs, das ja primär für besonders wichtige und sensible Post gedacht ist. „Ein Zeichen dafür, dass hier handfeste Geschäftsinteressen im Vordergrund stehen“, so Vetter. Rechtsanwalt Thomas Stadler geht sogar noch weiter: Weil unverlangte Zusendung von Werbung an sich nicht zulässig sei, sieht Stadler in dieser Passage sogar eine Vorbereitungshandlung für die Rechtsverletzung eines Dritten, an der die Post auch noch verdient.

Mit dem Briefgeheimnis einer Postkarte

Unter IV.9.3 heißt es:

Es wird darauf aufmerksam gemacht, dass die Deutsche Post AG mit dem E-POSTBRIEF zum Telekommunikationsdiensteanbieter wird und somit den speziellen gesetzlichen Vorgaben, z. B. des TKG und TKÜV, unterliegt. Folglich ist sie im Rahmen der engen gesetzlichen Vorgaben zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zur Herausgabe einer Nachricht – ggf. unverschlüsselt – vor allem an Verfassungsschutzbehörden verpflichtet.

Der E-Brief genießt nicht den Schutz des Briefgeheimnisses, so Thomas Stadler. Nach der Rechtsprechung des BVerfG unterliege er nur dem Fernmeldegeheimnis und ist damit allenfalls so geschützt wie eine Postkarte.

„Wer den E-Postbrief benutzt muss davon ausgehen, dass er sich zum Gläsernen Bürger macht“, so Udo Vetter. Das gelte insbesondere gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaften. Sollte es in der guten alten Papierpost überhaupt gelingen, einen gesuchten Brief aus der Flut von Briefen herauszufischen, bedürfe es einer richterlichen Anordnung, um diesen Brief zu öffnen.

Anders hingegen bei der elektronischen Variante; hier seien die Voraussetzungen für eine Überwachung deutlich geringer. Jeder Polizeibeamte könne, wenn er gegen jemanden einen Anfangsverdacht hat, bei der Post gegebenenfalls sogar E-Mails einsehen. Dabei müsse es sich bei dem Verdacht noch nicht mal um ein schweres Vergehen handeln. Vetter warnt: „Die Gefahr für Willkür ist hier unglaublich groß“. Hinzu komme, so Thomas Stadler, dass man beim E-Postbrief mit seinen kompletten Daten registriert sei, also einschließlich der Personalausweisnummer, weshalb es dem Staat natürlich wesentlicher leichter falle eine bestimmte Person zu identifizieren, als z.B. bei einem freien E-Mail-Provider.

Worte für die Ewigkeit

Unter IV.2.5 heißt es:

Es wird darauf hingewiesen, dass Daten, die in dem Nutzerkonto gelöscht wurden, ggf. zunächst nur gesperrt und dann erst mit zeitlicher Verzögerung endgültig gelöscht werden, um versehentlichen Löschungen oder evtl. vorsätzlichen Schädigungen vorzubeugen. Aus technischen und rechtlichen Gründen (vgl. gesetzliche Datenspeicherungspflichten) werden Daten ggf. in Datensicherungsdateien und Spiegelungen von Services dupliziert. Solche Kopien werden ggf. erst mit einer zeitlichen Verzögerung gelöscht.

„Eine ungeheuerliche Klausel“, so Udo Vetter. Übertragen auf die analoge Welt bedeutet das: Wenn man einen Brief – aus was für Gründen auch immer – wegschmeißen, schreddern oder verbrennen will, dann geht das nicht. Die Post behält, und zwar für einen nicht näher definierten Zeitraum, eine Kopie dieses Briefes – ob man das will oder nicht. Ein absolutes „No Go“.

Schlussbemerkung

Ich sage nicht, dass der E-Postbrief per se gefährlich ist. Er kann dazu beitragen Behördenvorgänge zu vereinfachen, ggfs. sogar zu beschleunigen. Gleichwohl muss sich jeder Kunde darüber klar sein: so sicher, wie uns die Post in ihrer teuren Anzeigenkampagne glauben machen will, ist der E-Postbrief bei weitem nicht! Er bietet Strafverfolgern wie auch Kriminellen deutlich mehr Möglichkeiten, Personen auszuspionieren als das beim klassischen Brief der Fall ist. Das ist vor allem deshalb wichtig zu wissen, weil ja gerade sensible Inhalte über den E-Postverkehr transportiert werden sollen.

Fazit: der E-Postbrief der Deutschen Post ist sicherlich praktisch – aber wie Thomas Stadler bereits sagte: nicht viel sicherer als eine Postkarte.

Links zum Thema

Stiftung Warentest: Der E-Postbrief

Spiegel online: Post arbeitet Anmeldungen langsam ab

Handelsblatt: Der e-Brief bringt das Web zum Lachen

heise.de: Kritik am E-Postbrief wächst

Die Zeit: Kritik am E-Postbrief und De-Mail wächst

Stellungnahme Deutscher Anwaltverein allg. zur De-Mail (PDF)

Heribert Prantl: Die Abhörrepublik


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259 Kommentare
  1. Bätschman schreibt:

    Sehr guter Beitrag. Endlich mal keine Vermutungen und Verschwörungstheorien wie sie auf Twitter und Co. zu finden sind, sondern wirklich Fakten ausgewertet.
    Dies bringt die Diskussion hoffentlich auf eine professionellere Ebene und damit ein gutes Stück weiter.

  2. Jekylla schreibt:

    Das war sehr informativ und unterlegt mein von Beginn an mulmiges Gefühl mit Argumenten.
    Dafür einen flattr.

Willkommen!